Grenzenlos durch die Nacht

Von Redaktion · · 2016/09

Dass Diskotheken gleichzeitig für Communities und ein breiteres Publikum da sein können, zeigt etwa das „Savanna“ in Wien. Richard Solder besuchte eine Institution.

Wenn Waltraud Eyo um halb zehn Uhr abends das „Savanna“ aufsperrt, dann macht sie das, als wäre es ihre Wohnung. Die schwere Tür aufstoßen, den Lichtschalter betätigen – das ginge vielleicht auch mit verbundenen Augen. Als ihr Mann, Charles Eyo, nachkommt, nachdem er das Auto geparkt hat, ist der dunkle Keller bereits erstrahlt und zeigt sich als Tanzlokal mit einer besonderen Aura. Noch schnell werden die Getränkereserven aufgefüllt, die Eiswürfelmaschine wird angeworfen und Musik eingelegt: Die Gäste können kommen!

Das „Savanna“ im vierten Wiener Gemeindebezirk ist der älteste „Afroclub“ in Wien. Stolze 31 Jahre gibt es die Diskothek schon. Seit damals wird das Tanzlokal von Charles Eyo als Familienbetrieb geführt, unter tatkräftiger Unterstützung vor allem seiner Frau. Die zwei haben einiges erlebt.

Frisch vom Flughafen. Es sind vor allem gebürtige AfrikanerInnen, die an diesem Abend den Weg in die Mayerhofgasse 2 gefunden haben. Sie gehen mit den Beats von DJ Joe mit, manche stehen an der Bar und wippen im Rhythmus, andere tanzen. Die große Party findet in dieser Nacht jedoch nicht statt. Ein Großteil des Stammpublikums sei bei einem Konzert, erklären die Eyos.

In die Welt tanzen

Afro-Clubs, Latin Lounges und Asian Nights sind aus dem Nachtleben Österreichs nicht mehr wegzudenken.

Die einen stehen auf Salsa oder Bachata, die anderen auf Afrobeat, Rap oder R’n’B. Wiederum andere wollen zu K-pop (Korean Pop) durch die Nacht tanzen. Rhythmen und Beats von allen Kontinenten gehören zum Ausgeh-Programm wie die Techno-Disco und das Rock-Konzert.

Nicht zuletzt Menschen mit Migrationshintergrund frequentieren die Diskotheken und genießen dabei gleichzeitig ein Stück Heimat: Sie können den Liedern ihrer Herkunftsländer lauschen und treffen Landsleute. Für alle wichtig, egal welche Wurzeln man selber hat: Der Club muss möglichst authentisch sein.

Alles Salsa. In Wien war lange das „Floridita“ der Anziehungspunkt für Nachtschwärmer im Latino-Fieber. Durch Wechsel der Pächter veränderte sich die Disco im ersten Bezirk, die heute „Danzon“ heißt. „Manolos“, ebenfalls im ersten Bezirk, sowie „Fania“ sind nun bei Latinas und Latinos besonders beliebt. Letzteres haben drei Kolumbianer gestartet, zuerst die „Fania Bar“ am Yppenplatz, später den Live-Club am Gürtel, in dem regelmäßig bekannte Bands aus Zentral- und Südamerika auftreten. „Wir wollen eine Alternative abseits der Kommerz-Lokale mit exotischer Aufmachung sein“, so Lautaro Alava, einer der drei Köpfe hinter „Fania“, das auf klassische Salsa- bzw. Folklore-Musik und studentenfreundliche Preise setzt.

Quereinsteiger. Lässt sich mit lateinamerikanischem Nachtleben ein Geschäft machen? „Die Zielgruppe muss auf jeden Fall mehr Menschen einschließen als die Latino-Communitys, damit sich ein Club rechnet“, betont Alejandro Peña. Der Leiter von Latino TV auf Okto hat sich mehrfach mit dem Thema beschäftigt. Man dürfe sich zudem bei den Besitzern, meist sind es Männer, nicht klassische Geschäftsleute mit Businessplan vorstellen: „In vielen Fällen ergibt es sich einfach, dass jemand eine Bar oder einen Club aufmacht. Durchaus auch wegen fehlender anderer Perspektiven“, erläutert der gebürtige Chilene. Laut Peña gibt es heute deutlich mehr Angebot als noch vor fünf oder zehn Jahren.   sol

Auch außerhalb Wiens gibt es „grenzenlose“ Diskotheken und Clubnächte, vor allem in Graz (z.B. im „PPC“), Linz („Remembar“), Innsbruck (u.a. „Salsa Libre“) und Salzburg (z.B. Salsa-Partys des „Salsa Clubs Salzburg“). 

Das Ehepaar ist stolz darauf, dass das „Savanna“ immer schon sehr unterschiedliche, internationale Gäste hatte: ÖsterreicherInnen mit und ohne afrikanische Wurzeln, TouristInnen und viele gebürtige AfrikanerInnen. In einigen afrikanischen Communitys gilt das „Savanna“ als Treffpunkt. „Es gab Leute, frisch aus Afrika, die noch nicht wussten, an wen sie sich in Wien wenden sollten, aber vom Savanna schon gehört hatten“, erzählt Waltraud Eyo. „Die sind dann direkt vom Flughafen zu uns gekommen“, ergänzt die Wienerin. „Es fühlen sich bei uns eigentlich alle Menschen wohl.“

Das Gewölbe-Lokal ist die gemütliche Höhle unter den Discos: Die Inneneinrichtung mit gepolsterten Bänken und tiefliegenden Tischen wirkt ein bisschen in die Jahre gekommen, die Räume glitzern und glänzen weniger als modernere Clubs. Die Stimmung ist sehr entspannt. Vergleichsweise moderate Preise und das Fehlen eines Dresscodes tragen zusätzlich dazu bei.

Harter Job. Es war einst die Idee von Charles Eyo, aus dem Keller eine Diskothek zu machen. Der gebürtige Nigerianer aus der Region um die Stadt Uyo im Südosten des Landes kam über Deutschland nach Österreich. Er liebte schon damals Musik, hatte lange selbst als DJ aufgelegt.

Leicht war es nie, das „Savanna“ zu führen. Das Ehepaar hatte in der Anfangszeit kleine Kinder und musste so die elterlichen Herausforderungen meistern und gleichzeitig dafür sorgen, dass der Club ein Erfolg wird.

Immer wieder mussten sie investieren. Die Musikgenres, die aktuell im „Savanna“ gespielt werden – Hip Hop, R’n’B, Reggae, Afrobeat – waren in den vergangenen Jahren beliebt. Trotzdem sei es heute schwieriger, Einnahmen zu lukrieren, so Charles Eyo: „Die Zeiten ändern sich. Die Leute geben weniger Geld aus als früher.“ Besonders seit der Finanzkrise 2008 seien die Gäste bescheidener.

Dass sie mit der Vermietung des Clubs an Partyorganisatoren mitunter zusätzlich Geld verdienen könnten, ist ihnen egal. „Wir haben das einmal probiert, aber man kann vielen, denen man den Laden überlässt, nicht vertrauen“, so Waltraud Eyo.

Sie und ihr Gatte wollen allein die Kontrolle darüber haben, was im „Savanna“ passiert. Früher stand das Paar jede Nacht hinter der Bar. Heute reicht ihnen das Wochenende. Und selbst das soll in absehbarer Zeit ein Ende haben. „Ich werde nächstes Jahr 65, dann gehöre ich in die Pension“, so Charles Eyo mit einem Schmunzeln.

Ob der Club in der Form danach weiterbesteht, ist derzeit noch offen. Sollte das „Savanna“ schließen, wäre es das Ende eines wichtigen Stückes des afrikanischen Wien.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen